Vorurteile über die Europäische Union
„Die EU ist regulierungswütig und entscheidet alles und das bis ins Detail.“
Übernimmt die EU eine Entscheidung für ihre Mitgliedsstaaten, dann nur weil sie ihr zuvor von den Mitgliedsstaaten zugewiesen wurde. Das bedeutet, ohne die Zustimmung der Mitglieder kann und darf die EU keine Regelungen erlassen. Alles andere wird auf Basis des sogenannten „Subsidiaritätsprinzips“ in den Staaten direkt entschieden. Außerdem brauchen alle Gesetze aus der EU-Kommission immer auch die Zustimmung des EU-Parlament und des EU-Ministerrats, in dem alle Regierungen vertreten sind.
Übrigens: Als Beispiel der übertriebenen Detailversessenheit der EU wird immer wieder das berühmte „Gurkenkrümmungsgesetz“ angeführt, das angeblich den Krümmungsgrad europäischer Gurken vorschreibt. Das ist allerdings nicht mehr als ein Mythos. In der Handelsklassenverordnung, auf die dieser Mythos zurückgeht, wurde Gemüse zwar in unterschiedliche Kategorien eingeteilt, von einer maximalen Krümmung oder ähnlichem war aber nie die Rede.
„Die EU ist eine riesige Bürokratie.“
Zusammengerechnet haben EU-Kommission, das EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union etwa 50.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. In der EU leben derzeit etwa eine halbe Milliarde Menschen. Allein die Stadtverwaltung von München beschäftigt etwa 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und zwar für gerade einmal 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.
„Deutschland zahlt als Nettozahler dafür, dass es anderen Ländern gut geht.“
Jedes Mitglied der EU zahlt etwa ein Prozent des jährlichen nationalen Bruttosozialprodukts an die Gemeinschaft. Da Deutschland die stärkste Volkswirtschaft der Gemeinschaft hat, zahlt es in der Summe deshalb auch mehr als beispielsweise Polen oder Spanien.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass ein großer Teil des Geldes (ca. 94 Prozent), durch Förderprogramme zurück in die Mitgliedsstaaten fließt. Vor allem aber profitieren wir vom zollfreien Handel so sehr, dass die Gewinne aus unserer Mitgliedschaft die Kosten bei Weitem übersteigen.
Im Jahr 2017 betrug der Anteil der aus Deutschland in andere EU-Mitgliedsstaaten verkauften Waren an den Gesamtexporten Deutschlands fast 60 Prozent. Auf Rang zwei unserer wichtigsten Handelspartner folgt die USA – mit einem Anteil von gerade einmal 9 Prozent. Die EU ist also bei weitem der wichtigste Absatzmarkt für Deutschland und ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen.
„Der Euro hat alles teurer gemacht.“
Auch das stimmt nicht. Wenn man die Inflation von Euro und DM vergleicht, kann man erkennen, dass die Verbraucherpreise in den letzten zehn Jahren der D-Mark um durchschnittlich 2,2 Prozent angestiegen sind. Der Anstieg in den ersten 10 Jahren nach der Einführung des Euro betrug im Durchschnitt nur 1,6 Prozent. Deutlich teurer geworden sind Güter des täglichen Bedarfs wie Strom, Benzin und bestimmte Lebensmittel allerdings schon. Das liegt aber z.B. am Anstieg der Aktienkurse an den internationalen Rohstoffbörsen oder an einer steigenden Nachfrage. Im Gegenzug sind z.B. Elektronikgeräte wie DVD-Player, Notebooks oder Smartphones in den letzten Jahren günstiger geworden.
„Die EU-Osterweiterung führt zu Lohndumping und Standortverlagerungen.“
Zu Beginn der Osterweiterung der EU gab es viele kritische Stimmen. Eine Befürchtung war etwa, dass Unternehmen ihre Standorte in die Länder in Osteuropas verlegen würden, in denen das Lohnniveau deutlich niedriger ist und damit Arbeitsplätze in teureren Ländern in Westeuropa streichen. Viele befürchteten auch, dass Arbeitssuchende aus Osteuropa das Lohnniveau in den restlichen Mitgliedsstaaten nach unten senken würden.
Dass dieser Fall nicht eingetreten ist, liegt unter anderem an europaweiten Standards in den Bereichen Umwelt, Gesundheit oder Sicherheit. So hat die Osterweiterung, etwa durch die Vergrößerung des Marktes, in der gesamten EU sogar für zusätzliches Wachstum und einer Steigerung des Wohlstands geführt.
Ab 2020 gilt übrigens auch die sogenannte Entsenderichtlinie. Dann gilt in der ganzen EU der Grundsatz: Gleiche Arbeit am gleichen Ort für gleiches Geld.