Gesundheitliche Versorgung braucht Neuaufstellung
Die Enquetekommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“ hat heute mit ihrer 64. Sitzung die Beratungen abgeschlossen. Zwischen Januar 2019 und Februar 2021 hat sich das Gremium aus Abgeordneten aller Fraktionen, Verbandsvertreterinnen und -vertretern sowie weiteren Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitswesen intensiv mit den aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung befasst und Handlungsempfehlungen für Niedersachsen erarbeitet.
Für den heimischen SPD-Landtagsabgeordneten Oliver Lottke aus Loxstedt, der stellvertretender Vorsitzender des Gremiums war, ergeben sich auch für die heimische Region im Cuxland und im Landkreis Osterholz konkrete Handlungsansätze: „Wir müssen im Interesse einer Stabilisierung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung zu einer Stärkung der Rolle der Hausärzte kommen. Für mich ist klar: Die von der SPD seit langem geforderte und auch von mir mit Nachdruck unterstützte Hausarztquote muss Teil eines umfassenden Gesamtlösungsansatzes sein. Wir müssen die Rahmenbedingungen des Medizinstudiums verbessern, zusätzliche Studienplätze und Professuren schaffen und die Rolle und das Aufgabenprofil des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), der Gesundheitsämter, schärfen.“ Dabei müsse vor allem die technische und personelle Aufrüstung des ÖGD zielgerichtet angegangen werden, sagte der SPD-Politiker.
Lottke weiter: „Die Entscheidung für ein Leben und Wohnen im ländlichen Raum darf keine Entscheidung für eine schlechtere Versorgung sein. Gute medizinische Angebote müssen flächendeckend allen Menschen im Cuxland und im Landkreis Osterholz zugänglich sein.“
Lottke sagte, die Arbeit der Enquetekommission sei stark beeinflusst gewesen von der parallel verlaufenden Corona-Pandemie: „Wenn es den noch brauchte, waren die damit verbundenen Herausforderungen ein weiterer Lackmus-Test dafür, wie wichtig ein leistungsstarkes Gesundheitssystem ist. Die ungeahnten Herausforderungen haben uns als Kommission dazu bewogen, unsere Mitte des vergangenen Jahres nahezu abgeschlossene Arbeit erneut auf den Prüfstand zu stellen und in unsere Handlungsempfehlungen die bisherigen Erkenntnisse der Corona-Pandemie mit einbeziehen.“
Wie der SPD-Politiker weiter erläuterte, habe das Gremium alle wesentlichen Schlüsselbereiche der medizinischen Versorgung in den Blick genommen. Um bestehende Problemlagen besser analysieren und Lösungsansätze erarbeiten zu können, wurde auch das Zusammenspiel der einzelnen Versorgungsbereiche im Gesamtsystem der Gesundheitsversorgung mit einbezogen. „Wir haben dabei ganz klar festgestellt, dass in vielen Bereichen der medizinischen Versorgung ein grundlegender Wandel dringend erforderlich ist, um auch zukünftig eine hohe Versorgungsqualität gewährleisten zu können“, so Lottke. Bereits heute zeichneten sich beispielsweise über nahezu alle Versorgungsbereiche hinweg teils deutliche Personalengpässe ab. In der Krankenhausversorgung bestehe zudem die Problematik, dass sich das vorhandene Personal auf zahlreiche Standorte und im internationalen Vergleich sehr viele Fälle verteile, so der SPD-Politiker.
Die Kommission hat zur Lösung dieser Problemlagen unterschiedliche Impulse und Lösungsansätze entwickelt. Eine wesentliche Rolle nimmt dabei auch die Weiterentwicklung der Krankenhausplanung ein: Ziel müssten, so Lottke, besser ausgestattete und leistungsfähigere Krankenhäuser sein, um von einer bedarfsgerechten Versorgung sprechen zu können. Im Interesse von Versorgungsqualität und -effizienz sollten im Interesse der Patientinnen und Patienten spezielle Versorgungsleistungen zudem stärker konzentriert werden. „Zugleich kommt es gerade bei uns in Niedersachsen darauf an, in der Fläche im ländlichen Raum wie im Cuxland und im Landkreis Osterholz auch zukünftig die wohnortnahe Grundversorgung für die Menschen sicherzustellen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen kann, wenn wir zu echten Strukturreformen und zur Entwicklung neuer Versorgungsmodelle kommen. Das ist wesentlich konstruktiver als immer wieder neue Schließungsdebatten und andere Schreckensszenarien – die Menschen brauchen Sicherheit“, so der SPD-Landtagsabgeordnete.
Als Grundlage für eine Krankenhausplanung legt die Enquetekommission mit ihrem Abschlussbericht zudem ein konkretes Versorgungsstufenkonzept vor. Das Konzept soll eine zielgerichtetere Planung ermöglichen, indem es Krankenhäuser je nach Größe und Leistungsfähigkeit einer bestimmten Versorgungsstufe zuordnet.
Um die wohnortnahe Versorgung auch bei spezialisierten Eingriffen sicherzustellen, empfiehlt die Kommission, Regionale Gesundheitszentren im Land aufzubauen. „Ich halte diese Gesundheitszentren für einen fruchtbaren Ansatz, um in nicht optimal versorgten Regionen eine medizinische Anlaufstelle zu schaffen. Hier lassen sich verschiedene Komponenten der gesundheitlichen Versorgung zentralisiert und stehen den Bürgerinnen und Bürgern an einem Standort rund um die Uhr zur Verfügung.“ Die Basis eines solchen Regionalen Gesundheitszentrums seien dabei die verschiedenen Ärztegruppen, allen voran die Hausärzte, die den Patienten im Sinne ihrer Lotsenfunktion leiten. Auch wenn die OP in einem größeren Krankenhaus stattfinde, so Lottke, könne beispielsweise die Nachsorge stationär vor Ort geleistet werden, und auch Besuche seien möglich.
Mit Blick auf die Notfallversorgung habe sich das bisher gestufte System als reformbedürftig erwiesen, so der SPD-Landtagsabgeordnete. Hilfesuchende wüssten oft nicht, welche Stelle für sie akut die richtige sei. Deshalb sollten nach Empfehlung der Kommission künftig alle Notrufe in integrierten Leitstellen gebündelt angenommen und dort an die entsprechenden Stellen disponiert werden: „Dazu haben wir bei uns in der Region mit der Leitstelle in Bremerhaven quasi schon einen Prototyp, der sich im Alltag schon bewähren konnte“, so Lottke. Auch die Notaufnahmen könnten durch den Aufbau integrierter Notfallzentren, die ebenfalls den Patientenfluss steuern, entlastet werden, damit für die tatsächlichen Ernstfälle ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stünden.
Unterstützt werden sollen die Maßnahmen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung durch die Potentiale der Digitalisierung. „Hier ist es zu begrüßen, dass wir in den letzten Wochen gute Ausbausignale u.a. der Telekom in der Region zu verzeichnen hatten. Denn alles Reden von Digitalisierung nützt nix, wenn man im Funkloch steht oder wohnt“, so Lottke. Durch eine Flexibilisierung der sektoralen Strukturen im deutschen Gesundheitswesen sollten darüber hinaus die enormen Chancen für die Verbesserung des Gesundheitswesens und für mehr Versorgungsqualität durch die Digitalisierung genutzt werden. Hierzu soll die digitale Infrastruktur in den Krankenhäusern und den Praxen ausgebaut und für eine bessere Zusammenarbeit an den Schnittstellen gesorgt werden, sodass auch komplexe Daten transferiert werden können. Unter anderem von Patientendatenmanagement-Tools wie der elektronischen Patientenakte, aber auch von telemedizinischen Anwendungen oder digitalen Diagnosetools können die Patienten ungemein profitieren.Enquetekommission zur ambulanten und stationären medizinischen Versorgung