Politik ist langweilig? Politik ändert ja doch nichts? Wer am letzten Sonntag in Bonn beim SPD-Parteitag dabei gewesen ist, hat das glatte Gegenteil erlebt. Die Debatte war offen, kontrovers, leidenschaftlich und das Abstimmungsergebnis am Ende auch durchaus knapp. Anders gesagt: Ein schönes Beispiel für Demokratie.
Für diese außergewöhnliche Debatte gibt es auch einen außergewöhnlichen Grund. Es ist selten so, dass eine ganz grundlegende Weichenstellung durch eine einzige Entscheidung erfolgt. In Sachen Regierungsbildung ist das aber der Fall. Die SPD hat die Wahl: In die Regierung hineingehen oder in die Opposition, dazwischen gibt es nichts.
Bei dieser Entscheidung gibt es auch keine Lösung ohne Risiko. Die Kritikerinnen und Kritiker verweisen natürlich mit Recht auf herbe Wahlniederlagen bei den letzten Wahlen. Stimmt, aber es gibt eben auch viele Beispiele dafür, dass der Gang in die Opposition nicht der Anfang vom erneuten Aufstieg, sondern der Beginn einer langen Misere gewesen ist. Und was alle bedenken sollten: Scheitert die Regierungsbildung, dann sind Neuwahlen sehr wahrscheinlich. Die AfD tät’s freuen, für die SPD kann das nicht gut sein.
Deswegen war ich erleichtert darüber, dass der Parteitag den Weg frei gemacht hat für Koalitionsverhandlungen. Denn am Ende können eben nicht nur strategische Überlegungen der einen oder anderen Art ausschlaggebend sein. Am Ende muss es darum gehen, was für eine Politik es in den nächsten Jahren geben soll. Durch die Sondierungsgespräche gibt es einen Rahmen für die Verhandlungen, mehr eben aber auch nicht. Erst im Lichte von konkreten Ergebnissen wird eine endgültige Entscheidung möglich sein.
Denn auch das ist klar: Am Ende haben die Mitglieder der SPD das letzte Wort. Ich halte das für zwingend notwendig: Die SPD ist am Ende nicht die Partei der Parteiführung, einiger Strategen oder Funktionäre. Die Mitglieder machen die SPD aus und sie müssen darüber entscheiden, welchen Kurs die Partei in den nächsten Jahren nehmen soll. Nebenbei bemerkt: Das hat dann auch eine enorm befriedende Wirkung und wird der SPD helfen.
Jetzt geht es darum, ein überzeugendes Verhandlungsergebnis auf den Tisch zu legen. Es geht um viele wichtige Entscheidungen im einzelnen, aber diesmal geht es noch um mehr, wenn danach die SPD-Mitglieder über eine Zustimmung entscheiden. Wie gesagt: Ein schönes Beispiel für Demokratie!