Auf dem Weg zu einer neuen Landesregierung

Manchmal treffen Prognosen zu. In meiner letzten Begrüßung hatte ich gemeint, in einer Woche hätten wir wohl mehr Klarheit, wohin es in Niedersachsen bei der Regierungsbildung gehen wird. Eine Woche später ist das auch der Fall. Sowohl SPD als auch die CDU haben beschlossen, Koalitionsverhandlungen mit einander zu beginnen.

Selbstverständlich ist das nicht – gerade in Niedersachsen. Jahrzehntelang standen sich beide großen Parteien sehr kontrovers gegenüber, die letzte große Koalition wurde vor mehr als fünfundvierzig Jahren gebildet und ging im Streit auseinander. Seitdem gab es harte Auseinandersetzungen, nicht zuletzt seit der Landtagswahl 2013 und im zurückliegenden Wahlkampf. Ganz abgesehen von programmatischen Unterschieden gibt es natürlich auch noch ein grundsätzliches Bedenken: Eine große Koalition in Niedersachsen wäre sehr groß, sie hätte mehr als dreiviertel der Mandate. Für eine lebendige parlamentarische Demokratie ist das sicher kein Idealzustand.

Und warum lassen sich beide Partner dennoch auf Verhandlungen ein und wollen die nächste Landesregierung bilden? Die Antwort auf diese Frage hat sich in den Sondierungsgesprächen der letzten beiden Wochen herausgebildet. Die niedersächsische FDP hat sich kategorisch einer Ampelkoalition mit SPD und Bündnis 90/ Die Grünen verweigert. Zu einer vertieften inhaltlichen Diskussion ist es gar nicht erst gekommen, was ich sehr bedauere. Ob sich die FDP mit dieser Verweigerungshaltung einen Gefallen getan hat, bezweifle ich stark, aber das müssen die Liberalen selbst wissen. Umgekehrt haben die Grünen die Bildung einer Schwampel (einer schwarzen Ampel-Koalition) abgelehnt, das wäre auch eine Regierung aus drei Wahlverlierern gewesen.

Und so verbleibt nur noch eine Option, aus dem Ergebnis der Landtagwahlen in Niedersachsen eine Regierung mit einer Mehrheit im Landtag zu bilden – die Große Koalition. Bei einer beiderseits bestehenden Bereitschaft, das Kriegsbeil zu begraben, und einer normalen Kompromissbereitschaft in Sachfragen sollte eine solche Regierung auch möglich sein. Der Einwand einer allzu großen Mehrheit lässt sich nicht wegargumentieren, allerdings werden in diesem Fall sicher die Minderheitsrechte der Opposition zu stärken sein.

Begeisterung hat diese Entwicklung in der niedersächsischen SPD sicher nicht ausgelöst, Verständnis dagegen schon. Das haben mir eine ganze Reihe von Diskussionen in den letzten Tagen bewiesen. Mit dem großartigen Wahlergebnis vom 15. Oktober ist nun einmal auch ein klarer Auftrag der Wählerinnen und Wähler an die niedersächsische SPD verbunden: Auf dieser Basis jetzt eine stabile und handlungsfähige Landesregierung zu bilden. Mit einem solchen Auftrag muss eine Partei verantwortungsbewusst umgehen, denn das ist ein Vertrauensvorschuss, den wir nicht enttäuschen dürfen. Das ist für mich der entscheidende Gesichtspunkt.

Es kommt noch etwas anderes hinzu. Die Erfahrungen der letzten Jahre und das herausragende Ergebnis der Landtagswahlen zeigen die Stärke der niedersächsischen SPD. Auf dieser Grundlage können wir mit dem gebotenen Selbstbewußtsein eine Regierung bilden, die inhaltlich unsere wichtigsten Vorhaben enthalten muss und wiederum unter sozialdemokratischer Führung stehen wird. Letzteres ist übrigens ein gewichtiger Unterschied zu den großen Koalitionen in Berlin, mit denen die SPD bekanntlich keine guten Erfahrungen gemacht hat.

In trockenen Tüchern ist die neue niedersächsische Landesregierung übrigens beileibe noch nicht. Jetzt gibt es erst einmal schwierige Verhandlungen über Sachthemen, danach müsste über die Zusammensetzung der neuen Regierung gesprochen werden. Erst wenn auch die letzte Frage geklärt ist, wird es ein Verhandlungsergebnis geben, über das dann ein außerordentlicher Parteitag der SPD zu entscheiden hat. Es wird also noch spannend in den nächsten vierzehn Tagen.

Ich wünsche Euch eine gute Woche!